Juni ist Pride Month! Wir finden, das ist ein Grund zu feiern. Und zwar feiern wir die Vielfalt, die wir in uns selber und in unseren Mitmenschen finden. Wir feiern Diversität und Buntsein, und Selbstliebe.
Deshalb ist der Juni nicht nur für die LGBTQIA+ Community ein bedeutungsvoller Monat, sondern für uns alle. Es geht darum, Offenheit, Akzeptanz und Wertschätzung für JEDEN Menschen zu verbreiten. Es geht darum, mit Vorurteilen aufzuräumen, Raum zu schaffen, die eigenen Gedankenmuster zu hinterfragen. Es geht darum, uns weiterzubringen, als Gesellschaft, aber auch individuell. Dazu möchten wir beitragen.
Unconscious Bias – Kennst du den Begriff?
Darum geht es bei uns in der ersten Juni-Woche: Unconscious Bias. Den Begriff kennen viele nicht, aber die meisten von uns werden täglich in den eigenen Köpfen damit konfrontiert. Was bedeutet der Begriff? Ich gebe dir einmal ein simples Beispiel:
Stell dir ein Pärchen vor. Beobachte dieses Bild in deinem Kopf genau.
Waren es ein Mann und eine Frau?
Wieso sind es nicht zwei Frauen oder zwei Männer? Wieso ist es nicht ein non-binäres Pärchen? Wieso nur zwei Menschen?
Jeden Tag prasseln tausende von Assoziationen auf uns ein. Die wiederum, sind geprägt von allem, was wir erleben und aufnehmen. Wir assoziieren das, was uns durch Medien und Gesellschaft vorgelebt wird – und das entspricht in den meisten Fällen leider nicht der Vielfalt unserer Realität. Denn die ist viel bunter, dort gibt es viel mehr als nur das Pärchen aus deiner Vorstellung. Woher kommt unser aller Unconscious Bias also? Durch einen Mangel an Repräsentation und Normalisierung. Und genau das gilt es zu ändern.
Wir möchten uns für mehr Diversität einsetzen. Wir möchten diese wunderbare Vielfalt unserer Welt möglichst genau abbilden. Und das nicht nur zu jetzt gerade zum Pride Month, sondern immer. Denn: Umdenken beginnt bei uns.
Raum schaffen – unsere Aktion zum Start des Pride Months
Wir möchten diesen Monat nutzen, um uns alle mal ein bisschen wach zu rütteln und zum Nachdenken anzuregen. Und zwar über unseren eigenen Unconscious Bias. Es ist zunächst einmal nicht schlimm, wenn du dir bei meinem Beispiel vorhin das “klassische” Bild einer Frau mit einem Mann vorgestellt hast. Schlimm ist nur, wenn es dabei bleibt, dass genau dieses Bild als die Norm angesehen wird, alles andere also als abnormal wahrgenommen wird. Wer bestimmt denn schon, was normal ist?
Ich selbst würde mich als sehr offenen, aufgeklärten, immer dazu lernenden Menschen beschreiben. Und trotzdem erwische ich mich häufiger noch dabei, dass meine Assoziationen durch die Brainwashing-Maschine gedreht wurden. Geht es dir auch manchmal so? Das ist kein Grund, sich zu schämen oder so etwas nicht zugeben zu dürfen. Es ist sogar ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den eigenen Unconscious Bias zu erkennen. Denn nur so bringen wir die gedanklichen Dominosteine in Bewegung, mit denen wir uns unsere Realität vor Augen führen. Und die sieht mit wachem Blick gleich viel bunter aus.
Wach machen. Das tun die Content Creator*innen, mit denen wir eine wunderbare Aktion auf die Beine stellen durften, auf ihre ganz besondere Weise. Sie geben Einblicke in ihr Leben als queere Person, berichten von Problemen, ihren Erfahrungen, beantworten Fragen und klären auf. Sie leisten wichtige Arbeit, indem sie uns an ihrem Leben teilhaben lassen und wir sind sehr dankbar, dass sie dies in dieser Woche über unsere Social Media Kanäle tun.
Pride – weil wir alle etwas mehr Farbe im Leben brauchen können
Doch auch bei Menschen der LGBTQIA+ Community ist Unconscious Bias durchaus ein Thema. Wir nehmen in unserer Kindheit und Jugend wie ein Schwamm alles aus unserer Umgebung auf und damit auch heteronormative Rollenbilder. Für viele Queers ist es ein langer Prozess, sich von diesen und dem damit verbundenen Unconscious Bias zu differenzieren. Wir bekommen von klein auf vermittelt, was “normal” ist und was von uns erwartet wird. Wenn von den Eltern, in den Medien und im persönlichen Umfeld nur heterosexuelle cis-Lebensumstände vorgelebt werden oder auch in der Schule im Sexualkunde-Unterricht nur sexuelle Beziehungen zwischen Männern und Frauen behandelt werden, dann stößt man als queer-Person irgendwann auf die unschöne Erkenntnis, nicht normal zu sein und nicht dazuzugehören.
Eine sehr traurige und ausgrenzende Erkenntnis. Viele Queers entwickeln deshalb den Wunsch, möglichst “normal” zu sein und unter dem Radar zu fliegen, um ja keine Aufmerksamkeit auf die eigene Andersartigkeit zu lenken. Wenn ich als schwuler Mann so durch die Profile auf queeren Datingportalen swipe, fällt mir immer wieder ein regelrechter Hass innerhalb der Community auf. Dort liest man Aussagen wie “nur straight-acting” oder “heterolike”, man sucht “normal-gebliebene” maskuline Typen: “Masc4Masc”, bloß niemanden, der offen und selbstbewusst mit seiner eigenen Sexualität und Identität umgeht. Diesen Hass gegen sich selbst nennt man auch internalisierte Homophobie, Biphobie, Transphobie etc. Wir projezieren unsere Unsicherheit auf uns selbst und andere und fragen uns sehr situationsbewusst: “Ist das zu schwul oder zu queer, wie ich mich kleide, wie ich spreche, wie ich mich verhalte?”
Leider hat diese einengende Selbstreflektiertheit nicht nur internalisierter, sondern auch externe Gründe. Bevor ich irgendwohin gehe, überlege ich mir sehr genau, wie authentisch kann ich dort auftreten. Bevor ich mein Date in der Öffentlichkeit küsse oder mit ihm Händchen halte, ist der standardmäßige Schulterblick schon antrainiert. Bevor ich mich, in welcher Situation auch immer, aus meiner Hülle traue, kommt mir immer zuerst die Frage: “Bin ich hier sicher? Ist das ein safe Space? Oder muss ich befürchten, mich homophoben Beleidigungen oder gar körperlicher Gewalt auszusetzen?”
Denn Diskriminierung und Hasskriminalität steht für viele von uns auch heute noch an der Tagesordnung. Man denkt es nicht, bei allem was unsere Community schon für sich erreicht hat und bei der Selbstverständlichkeit, mit der die Community mittlerweile im gesellschaftlichen Dialog steht. Aber um einmal ein paar Beispiele zu geben: Ich bin sehr zögerlich bei dem Gedanken, in einen Heteroclub zu gehen oder auf dem Heimweg an Gruppen von grölenden Jugendlichen vorbeizugehen. Und wenn ich mal in einen Heteroclub gehe oder auf ein Volksfest oder ähnliches, überlege ich mir schon zweimal, welche Kleidung ich trage, wie ich die Aufmerksamkeit nicht zu sehr auf mich lenke oder eben ‘unter dem Radar fliege’.
Was ist also die Antwort auf all diese bedenklichen Umstände?
Mehr Aufklärung und mehr Sichtbarkeit von queeren Menschen in allen Lebensbereichen. Denn mit mehr Präsenz und Information fühlen sich künftige Generationen von Queers vielleicht nicht mehr so ausgegrenzt und anders. Und dafür lohnt es sich, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Darum brauchen wir Pride – weil wir alle etwas mehr Farbe im Leben brauchen können!
Deine Lena & dein Michael