July 22, 2021
Shopping: Zero Waste Edition – Mein erstes Unverpackt-Erlebnis
by Lena Severin
Zum Eingang ein Geständnis: Ich war noch nie in einem Unverpackt Laden. Obwohl ich ein gewisses Konsum-Bewusstsein für meine Müllproduktion und die Umwelt habe und gerade hier in München eigentlich recht viele solcher Läden zu finden sind, habe ich es irgendwie noch nicht auf meiner Agenda gehabt, mal in einen hineinzugehen. Bioläden, Regionale Märkte? Ja, die gehören zu meinen regelmäßigen Einkaufs-Haltestellen. Aber Unverpackt Läden? Nope. Also habe ich den #plasticfreejuly zum Anlass genommen und mich bei einem Interview von Hannah Sartin, Co-Gründerin und -Inhaberin von zwei Unverpackt-Filialen des OHNE Ladens hier in München, hinter die Kulissen mitnehmen lassen.
- Erste Schritte im plastikfreien Schlaraffenland
- Unverpackt – wie funktioniert das Konzept hinter den Kulissen?
- Dem Plastik den Kampf ansagen: so bereitest du dich auf Unverpackt vor
- Zero Waste Konzepte: ein Ding der Zukunft?
1. Erste Schritte im plastikfreien Schlaraffenland
Wie so ein Unverpackt Laden aussehen kann, war mir natürlich schon vorher bekannt. Reingeguckt hatte ich immerhin schon in ein paar und im Bioladen gibt es ja auch die kleine Ecke mit den Abfüllbehältern. Das ganze aber dann doch mal aus nächster Nähe zu betrachten hat sich für mich irgendwie so angefühlt, als wäre ich ein Kind im Süßwarenladen. Nur, dass statt Gläsern und Vasen voller Gummibärchen und Zuckerzeugs fein säuberlich aufgereihte Glasbins stehen. Das sind die Abfüllbehälter in Zylinderform, die mit Bohnen, verschiedenen Nudelsorten, Reis, Linsen, Nüssen, Kaffee und, und, und befüllt sind. Mein kleines Foodie-Herz schlug da zugegebenermaßen ein bisschen höher, die ganzen Lebensmittel so offen präsentiert zu sehen. Und auf einmal fällt mir ein, was ich alles denn “schon immer” mal kochen wollte, was in meinem Vorratsschränkchen alles noch fehlt… Eigentlich fehlt nichts, aber ich hatte einfach Lust auf diese Lebensmittel, die mich da so durch die Glasbehälter anstrahlten. Völlig hin und weg war ich von der Honigwabe aus Edelstahl, aus der man sich den frischen Honig zapfen konnte! Beim Anblick des Gewürzregals sind mir dann als passionierter Hobby-Köchin die Knie weich geworden. So eine bunte und hungrig-machende Auswahl sieht man durch die aufgereihten Plastiktütchen im Supermarkt einfach nicht. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich hatte mal wieder richtig Lust einzukaufen!
2. Unverpackt – wie funktioniert das Konzept hinter den Kulissen?
Eine der ersten Fragen, die ich mir gestellt habe, war tatsächlich wie es im Hintergrund von so einem Unverpackt Laden ablaufen kann. Hannah erklärt mir, wie die beiden OHNE Läden in München funktionieren:
“Das läuft auf vielen unterschiedlichen Wegen und ich glaube jeder Unverpackt Laden hat sein eigenes System. Manche arbeiten mit einem Großhändler zusammen, manche mit ganz vielen Direktvermarktern. Bei uns ist es eine gute Mischung. Das heißt, wir arbeiten zum Teil mit einem Bio-Großhandel zusammen, von dem wir Ware in Großmengen beziehen – das sind dann in der Regel 25 kg Säcke. Wir haben aber auch zum Beispiel bayerischen Tofu im Pfandglas im Kühlregal, der von einem kleinen Familienbetrieb hergestellt wird. Das funktioniert nach dem Mehrweg-Prinzip. Die Tofu-Lieferung kommt donnerstags und dann geht das Leergut gleich wieder mit zurück. Der Bäcker kommt jeden Morgen und bringt frisches Brot für das er auch das Mehl aus dem Getreide von dem Bio-Bauernhof, der uns beliefert, verbackt. So sind die unterschiedlichen Stadien vom Getreide übers Mehl bis hin zum Brot in einem Laden. So Kreisläufe freuen uns besonders, weil wir auch möglichst transparente Wertschöpfungsketten wollen, damit man aus Kund*innen-Sicht wirklich nachvollziehen kann, wo alles genau herkommt.”
Transparenz ist heutzutage beim Einkaufen gefragt. Wir möchten genau wissen, wo unsere Lebensmittel her kommen, oder die Kosmetik, die wir verwenden. Und wir möchten darauf vertrauen können, dass die Informationen, die wir über die Herkunft und Verarbeitung erhalten, auch so stimmen. Es reicht eben nicht, bloß das Herkunftsland auf die Produkte zu drucken. Gerade bei den “exotischeren” Waren, wie beispielsweise Chia Samen oder verschiedene Nusssorten, die bei uns einfach nicht wachsen, aber ins Sortiment gewünscht wurden. Natürlich kann man da die Augenbrauen hochziehen und sich fragen, ob es nötig ist, Produkte mit so weiten Reisen in einem Laden, bei dem sich alles um Nachhaltigkeit dreht, überhaupt anzubieten. Aber das Angebot wird eben anhand der Nachfrage konzipiert – und das ist auch gut so, denn sonst müssten die ganzen Unverpackt Läden wieder einpacken.
“Wir haben unser Sortiment hauptsächlich auf Kundenwunsch aufgebaut. Also wir hatten angefangen mit Leinsamen, anstatt Chia Samen, mit bayerischem Reis, anstatt Basmati Reis. Wir haben von Anfang an Boxen aufgestellt, wo wir Kundenwünsche gesammelt haben und dann sozusagen geguckt, was viel gefragt wird und unser Sortiment dahingehend ausgebaut. Schließlich leben wir ja davon, dass Kund*innen zu uns kommen und kaufen. Als Bio-zertifizierter Laden beziehen wir alles natürlich in Bio-Qualität. Und wir versuchen auch immer alles fair zu beziehen, das ist uns wichtig. Aber es braucht natürlich auch für uns als Händler einen gewissen Vertrauensprozess zu dem Hersteller und dem Zwischenhändler. Wir können zwar auf die Entferung versuchen – ähnlich wie bei der verpackten Ware im Bio-Laden – so viel zu erfahren wie möglich. Aber es ist nicht immer bis in die letzte Instanz nachvollziehbar.”
Nachhaltige Unternehmen können eben auch nur so transparent sein, wie die Händler, Zwischenhändler und Hersteller es zulassen. Hannah bringt es auf den Punkt: “Wenn wir jetzt viele von den Dingen, die attraktiv wären, nicht ins Sortiment nehmen würden, aus Überzeugung, dann würden wir uns auch nicht halten können. Von daher ist es einfach ein Kompromiss.”
Und ein Kompromiss ist um ein vielfaches besser als die Alternative: unfassbarer Plastik- und Papier-Verbrauch und das alles nur, um die Lebensmittel, von denen wir maximal das Herkunftsland erfahren, “bequemer” aus dem Supermarkt bis nach Hause transportieren zu können, nur um die Verpackung dann zu entsorgen. Brauchen wir das wirklich?
3. Dem Plastik den Kampf ansagen: so bereitest du dich auf Unverpackt vor
Hannah hat für dich (und mich) ihre Erfahrungen geteilt und ihre Top 3 Tipps für unverpacktes Einkaufen gesammelt:
1. Im Vorfeld: Bestandsaufnahme
“Der erste Step ist tatsächlich immer die Bestandsaufnahme zu Hause – noch vor dem eigentlichen Einkaufen. Ich würde sagen, sogar mehrere Wochen davor. Da kann man sich erst einmal beobachten und schauen: Was brauche ich eigentlich? Wie oft gehe ich einkaufen? Bin ich jemand, der jeden Tag in den Supermarkt geht und spontan einkauft, oder plane ich schon gern voraus und schreibe mir das zusammen. So bekommst du ein gutes Gefühl dafür, was du kaufst, wie oft und welche Mengen du brauchst.”
2. Nicht verkopfen
“Man darf nicht zu streng mit sich selbst sein und man muss einfach mal loslegen. Ich weiß, dass ich mir da im Vorfeld unheimlich viele Gedanken gemacht habe, was ich erst alles umstellen muss, bis ich perfekt starten kann. Eigentlich kann man aber direkt loslegen und in der Regel hat man auch alles, was man dafür braucht, schon zu Hause. Jeder von uns hat Aufbewahrungs- oder Lunchboxen. Du brauchst kein fancy Equipment. Bevor du dich ausbremst, weil du denkst, du kriegst es eh nicht so perfekt hin, starte lieber mit kleinen Schritten, bevor du dich abwendest. Sei du selbst, beobachte, suche dir für den Anfang mal drei Produkte aus, die du auf Unverpackt umstellen willst und los geht’s.”
3. Mach dich leicht – nicht nur im Kopf
“Wir empfehlen immer, sich so leicht wie möglich zu machen. Das heißt: Lass die Glas- oder Plastikbehälter zu Hause. Nimm lieber waschbare Baumwollbeutelchen, die man zuziehen kann. Die verkaufen wir hier auch, du kannst sie aber auch einfach selber nähen oder dir schenken lassen. Die sind super praktisch, weil sie wenig Gewicht haben, fast vergleichbar mit einer Papiertüte. Und du kannst mit ihnen auch mengenmäßig variieren.“
4. Zero Waste Laden-Konzepte: ein Ding der Zukunft?
“Als wir vor 6 Jahren angefangen haben, war das wirklich noch relativ neu und wurde immer so ein bisschen kritisch beäugt, hatte ich das Gefühl. Das hat sich auf jeden Fall entwickelt, wie man ja auch an der Zahl der Unverpackt-Läden sieht, die es mittlerweile deutschlandweit gibt. Wir erleben schon, dass in den letzten Jahren die Offenheit dem Thema gegenüber stark gestiegen ist, weil es mehr ins Zentrum der allgemeinen Diskussion gerückt ist.”
Vor 6 Jahren herrschte noch Skepsis, mittlerweile sind Konzepte wie Plasticfree, Recycling, Zero Waste und Second Hand vielerorts schon gut integriert oder auf dem Weg dahin. Das gibt Hoffnung, dass die Zukunft ein Stück weit schon hier ist, dass wir immerhin in die richtige Richtung gehen, frei nach dem Motto: reduce, reuse, recylce. Lebensmittel, Küchenartikel, aber auch Bad-Produkte, Putzmittel, Alltagsgegenstände und Kleidung bewusster konsumieren, auf die eigene Müllproduktion achten und auch aufpassen, welche Inhaltsstoffe man zu sich nimmt, in die Umwelt entlässt oder an die Haut lässt, ist etwas, das jede*r einzelne von uns tun kann. Das bedeutet nicht, dass wir alle von heute auf morgen unser Leben umkrempeln und ab sofort nur noch eine Tasse Müll im Jahr produzieren dürfen (Hut ab, für alle, die das so oder so ähnlich bereits umsetzen)! Um es mit Hannah’s, wie ich finde, sehr passenden Worten abzuschließen: “Bevor du dich ausbremst, weil du denkst, du kriegst es eh nicht so perfekt hin, lieber mit kleinen Schritten starten.” Und genau so mache ich es jetzt. Du auch?
Großes Dankeschön an Hannah, für ihre Insights, Erklärungen, ermutigenden Worte und die schönen Bilder aus den beiden OHNE Läden! Falls ihr aus München kommt und Lust habt mal vorbei zu schauen oder euch informieren wollt, könnt ihr das hier tun. Und wenn du vielleicht selber einen Unverpackt Laden eröffnen oder dein Café oder Restaurant mit den wunderbaren Abfüllbehältern nachhaltiger gestalten möchtest, kannst du dich sogar mit den Glasbins aus den OHNE Läden, die du auf den Bildern siehst, ausstatten lassen!